Ohne Auto in Mittenwald

Natur, Landschaft, Ruhe. Das wünscht man sich doch, wenn man in die Berge zum Wanderurlaub fährt. Frische Luft, leckeres Essen und keinen Stress. Abstand vom Alltag eben. Für mich bedeutet die Nähe zur Natur auch viel Abstand vom Auto. Dabei überraschte mich doch, dass es gar nicht so einfach war, ohne Auto in die Berge zu kommen. 

Um angenehm und günstig mit dem Zug in die Alpen zu fahren, darf man nicht wählerisch mit dem Urlaubsort sein. Viele Möglichkeiten ergaben sich für uns aus Dortmund nicht. Wenn die öffentlichen Verkehrsmittel eine Alternative zum Auto darstellen sollen, dürfen sie nicht wesentlich länger als das Auto brauchen. Die Verbindungen sollten somit auch möglichst wenige Umstiegspunkte haben, um bei Verspätungen nicht den Anschluss zu verpassen. Für uns standen Oberstdorf, Garmisch-Patenkirchen und Mittenwald zur Auswahl. Für ca. 25,- Euro auf der Hinfahrt war die Zugfahrt sogar noch viel günstiger als das Auto und die geplante Reisezeit von 8 Stunden mit 2 Umstiegen voll im Rahmen. Dass wir direkt den ersten Anschluss verpasst haben, die Bahn eine Baustelle in der letzten Strecke eingerichtet hat und dass durch Hochwasserschäden noch ein weiterer Streckenabschnitt gesperrt wurde, war typisches Bahnfahrer-Glück. Nichtsdestotrotz waren diese 3 Stunden Verspätung sicherlich noch angenehmer als die Zeit in einem Stau zu stehen. Ein wenig Gelassenheit muss man einfach mit einpacken. 

Wenn alles gut läuft, kann man Mittenwald auf jeden Fall sehr gut mit dem Zug erreichen und man ist sofort im wunderschönen Karwendel-Gebirge. Der Ort ist sehr schön, bietet ein großes gastronomisches Angebot und ist idealer Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen. Doch eins vorweg: Wer Gipfel erklimmen möchte, braucht in Mittenwald schon eine gewisse Trittsicherheit. Wir nahmen die Gipfelwanderungen als recht anspruchsvoll wahr. Für flachere Touren, auch mit dem Fahrrad, finden in dem Gebiet aber auch Einsteiger viele Möglichkeiten. Für zwei Touren nahmen wir einen Bus in den Nachbarort. Die Taktung der Busse sollte aber unbedingt höher sein, wenn die Touristenorte weniger Autoverkehr haben möchten. Einmal die Stunde ist zu wenig, nimmt jede Flexibilität und sorgte bei uns für einen Dauerlauf am Ende einer Wanderung. 

Drei schöne Touren direkt aus Mittenwald

Wenn man ohne Auto unterwegs ist, möchte man am liebsten direkt zu Hause starten und auch dahin ohne andere Verkehrsmittel zurückkehren. Das geht in Mittenwald ziemlich gut. 

Über Leutaschklamm und Lautersee zum Kranzberg

Zum Einstieg bietet sich am besten eine Wanderung über die Leutaschklamm zum Lautersee an. Die Wege sind zwar sehr touristisch, aber der Lautersee auch wirklich schön. Unbedingt reinspringen und ein frisches Bad unter Bergkulisse genießen! Den Rückweg verlängerten wir noch über den Kranzberg, auf dem ein Barfusspfad angelegt ist, der sich wirklich lohnt. Leider wirkten einige Stellen nicht ganz gepflegt, könnte aber auch an den starken Regenfällen eine Woche zuvor gelegen haben. Wer jetzt schon müde ist, kann ab dort auch mit dem Sessellift ins Tal fahren.

Alpine Wanderung zur Westlichen Karwendelspitze

Als wir am ersten Abend von unserem Balkon auf das Karwendel-Gebirge schauten, waren wir uns sicher, dass wir da niemals hochgehen würden. Die steile Wand sieht nicht danach aus, als könne man dort ohne Klettergeschirr aufsteigen. Da wir aber unbedingt auch Gipfel erklimmen wollten, fragten wir unsere Vermieter, welche Gipfel sie empfehlen würden. Sie zeigten ausgerechnet auf die steile Wand, bzw. auf einen der Gipfel darüber. Ab der Mittenwalder Hütte sollte man etwas Trittsicherheit haben, aber das sei für uns ohne Probleme machbar. Da für den zweiten Tag das beste Wetter in unseren 10 Tagen angesagt war, nahmen wir uns direkt für diesen Tag die empfohlene Westliche Karwendelspitze vor. 

Der Aufstieg zur Mittenwalder Hütte ging ziemlich schnell, doch ab dort flößte uns ein Schild ziemlichen Respekt für die weitere Route ein. Zwar schien man wirklich keine Kletterausrüstung zu benötigen, aber viel Erfahrung sollte man schon mitbringen. Da wir beide schon von klein auf in die Berge fuhren und auch schon schwierige Touren wanderten, stellten wir uns der Herausforderung. Die Route, das Gelände und die Aussichten waren wunderschön. Stellenweise mussten wir unsere Hände nutzen und ein mulmiges Gefühl begleitete uns auf wenigen Passagen. Wir setzten mit Vorsicht und Sicherheit unsere Schritte und legten immer wieder Pausen ein, um die Konzentration zu behalten. So erreichten wir zwar mühsam, aber mit großer Freude die Bergstation der Karwendelbahn, die viele weitere Wanderer auf die Gebirgskette brachte. Die Seilbahnfahrt wäre ohne Frage die einfachere Variante, aber den Ausblick konnten wir leicht geschwitzt und mit pochenden Beinen viel mehr genießen. 

Nach den letzten Metern Aufstieg zum Gipfelkreuz machten wir uns auf den Rückweg durch den Dammkartunnel und über die Dammkarscharte. Wie so oft in den Bergen ist der Rückweg am unangenehmsten, dieser war aber besonders fies. Bis zur Dammkarhütte liefen oder rutschten wir über graues Geröll. In einer Scharte lohnt sich nicht einmal die Aussicht. Trotzdem war es der sichere Abstieg als der Hinweg und für den Geldbeutel die bessere Wahl als die Seilbahn. 

Von Mittenwald auf die Große Arnspitze 

Unsere absolute Lieblingstour in diesem Urlaub machten wir an unserem letzten Tag. Die Wettervorhersage war noch einmal gut und wir wollten diesen Abschluss mit einem Gipfel krönen. Da wir die gängigsten Gipfel schon abgewandert sind, recherchierten wir etwas genauer und stießen erst relativ spät auf die Große Arnspitze, die man auch von Mittenwald aus erwandern kann. Der Weg führt über den Riedkopf mit wunderschönem Panorama vom Karwendelgebirge auf der einen Seite und Wettersteingebirge auf der anderen Seite. Nach dem Riedkopf wird der Weg etwas kniffeliger bis man den Abzweig nach Scharnitz erreicht und von dort aus auf die Arnspitze aufsteigt. Für das letzte Stück mussten wir unsere Hände wieder zur Hilfe nehmen, aber der Aufwand lohnt sich allemal. Auf dem Gipfel, der auf der Grenze zwischen Österreich und Deutschland liegt, hat man einen traumhaften Rundumblick auf die umliegenden Bergketten. Imposant fand ich vor allem die markante Mittlere Arnspitze, um die sich an diesem Tag die Wolken herum bewegten. Da es warm war, verweilten wir lange auf dem Gipfel und saugten nochmal mit aller Intensität die Eindrücke ein.

Absteigen wollten wir über die Hasellähne bis zur Mitte des Riedbodens, doch wir fanden den Einstieg nicht. Der Weg, den wir laut unserer Karte und Komoot gehen mussten, kam uns zu gefährlich vor. So entschieden wir uns, den Umweg auf uns nehmen und bis nach Scharnitz abzusteigen. Wir hätten dort den Zug oder einen Bus nehmen können, sahen es aber nicht ein, für eine Station um die 6,- Euro pro Person für ein Ticket zu zahlen. Also sammelten wir noch einmal alle Energie und legten die letzten sechs Kilometer zu Fuß zurück. So sahen wir zumindest noch einmal den Riedboden und konnten uns ein Fußbad in der Isar gönnen. Mit über 20 Kilometer Strecke und 6 Stunden Gehzeit ist diese Tour nur für trainierte Wanderer zu empfehlen.

Wanderungen mit dem Bus

Die Buckelwiesen zwischen Krün und Mittenwald

Zwischen großen Wanderungen möchte man ja zwischendurch auch mal etwas ruhigere Touren machen. In den meisten Reiseführern wird die Buckelwiesen-Wanderung zwischen Krün und Mittenwald empfohlen. Wir fuhren mit dem Bus nach Krün und wanderten diese Tour zurück nach Mittenwald. Landschaftlich hat uns die Wanderung überzeugt, der Weg ist zu Fuß aber unangenehm, da er nur auf Asphalt verläuft. Mit dem Fahrrad hätten wir deutlich mehr Spaß gehabt. 

Von Krün über Seinskopf auf die Schöttelkarspitze

Der kleine Nachbarort Krün ist ein guter Ausgangspunkt für verschiedene Gipfel. Wer leichte Touren wandern möchte, kann den Seinskopf und den Signalkopf besteigen. Wir wählten eine anspruchsvollere Route weiter zur Schöttelkarspitze und über das Soiernhaus zurück. Profis wandern in diesem Gebiet zur Soiernspitze, am besten sogar als Mehrtageswanderung. 

Schon der Aufstieg zum Seinskopf lohnt sich und wird mit einem fantastischem Panorama auf das Karwendel, Wettersteingebirge und die Ortschaften Mittenwald und Krün gekrönt. Von hier aus gibt es einige Abzweige zu weiteren Gipfeln und Talwanderungen. Uns hat beim Aufstieg der Blick auf die Schöttelkarspitze motiviert, weiterzulaufen. Das Wetter war recht unbeständig und wolkenreich. Die Wettervorhersage sagte Gewittergefahr bevor, wobei darauf in den letzten Tagen schon nie Verlass war. So entschieden wir uns, aufzusteigen, da wir noch immer die Möglichkeit hatten, bei einem Wetterumschwung umzukehren. Es blieb trocken und das war für den Weg gut so, da er einige knifflige Stellen bereit hielt, die mit rutschigen Steinen zu gefährlich geworden wären. Zwischenzeitlich war der Gipfel von den Wolken verhangen, sodass der Aufstieg zum Glücksspiel wurde. Werden wir oben überhaupt die erhoffte Aussicht haben?

Ja, wir hatten sie! Und an dem Wolkenspiel konnten wir uns gar nicht satt sehen. Viel Zeit verbrachten wir auf dem Gipfel aber nicht, denn der Wind brachte auch ein paar Regenwolken, die ihre ersten Tropfen bereits abwarfen. Der Abstieg war recht monoton im Zickzack, wurde aber mit dem Blick auf die Soiernseen nicht langweilig. Das Soiernhaus lohnt sich für eine Einkehr, für uns reichte die Zeit allerdings nur für ein kurzes Getränk. Ein Wanderer hörte unser Gespräch mit, in dem wir über den weiteren Abstieg diskutierten. Es gibt zwei Möglichkeiten: Der Weg über den anspruchsvoll ausgeschriebenen Lakaiensteig oder ein langer Wirtschaftsweg zur Fischbachalm. Wir waren uns nicht sicher, ob der Lakaiensteig für uns zu schwierig ist, doch der Wanderer ermutigte uns, ihn zu gehen. Er kannte sich in dem Gebiet aus, kam den Weg zuvor aufgestiegen und schwärmte von der Aussicht. Der andere Weg sei keine Alternative, da schon der Abstieg ab der Fischbachalm bis ins Tal zwei Stunden über langweiligen Wirtschaftsweg verläuft. Ohne den Lakaiensteig würden wir fast vier Stunden nur Forststraße laufen.

Wir haben nichts bereut! Knapp zwei Stunden führte uns der Lakaiensteig auf gleichbleibender Höhe durch ein traumhaftes Panorama mit Blick in das Tal, auf einen Wasserfall, die Soiernspitze und das Soiernhaus. Der anschließende Forstweg hat wirklich ausgereicht. Einige Wanderer fuhren mit dem Mountainbike zur Fischbachalm, um von dort aus weiter zu Fuß aufzusteigen und auf dem Rückweg an uns vorbei zu rollen.

Jan

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